Preisträger: DULSBERG LATE NIGHT

DULSBERG LATE NIGHT – die tägliche Late-Night-Show aus der leeren Aula der Stadtteilschule Alter Teichweg in den Wochen des ersten Lockdowns war die genau richtige Show zum perfekten Zeitpunkt.

Autor: Matthias Vogel

Björn Lengwenus in seinem LATE-NIGHT-Studio in der eigentlich leeren Schulaula, Foto: Kulturagenten Hamburg

Die rund 30 Folgen, die ein kleines Team rund um Schulleiter und Showmaster Björn Lengwenus in den Wochen der ­ersten Schulschließung damals Tag für Tag – und mehr oder weniger auch rund um die Uhr – auf die Beine gestellt hat, ­haben ganz offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen und viele Menschen in ganz Deutschland berührt und begeistert. Dies ist der Versuch, zu beschreiben, was den Reiz der selbstgebastel­ten, täglichen Late-Night-Show ausmacht hat.

Das Herz am rechten Fleck

Zunächst ist es einfach schön, wenn man zusehen kann, wie Menschen mit Herzblut und Liebe ihren Job machen. Und damit ist jetzt nicht in erster Linie Björn Lengwenus gemeint, der diese Show und diese Haltung natürlich verkörpert wie kein zweiter. Dies meint zum Beispiel auch die Grundschullehrerin, die berichtet, wie sie alle ihre Schüler*innen täglich anruft – jede einzelne und jeden einzelnen, jeden Tag. Oder wenn man begreift, dass vierzig Honorarkräfte allen Schülern täglich Lernpakete an die Haustür bringen – an über tausend Adressen auf dem Dulsberg und überall in der Stadt. Oder wenn man dabei ist, wie ein Abteilungsleiter penibel Schülergruppen trennt und kontaktlose Pausenabläufe organisiert und dabei Tränen in den Augen hat, weil das nichts mehr mit dem zu tun hat, wie er sich eine gute Schule für seine Schüler*innen wünscht.

Die Corona-Krise in einer Nussschale

Die rund 30 Folgen der YouTube-Show sind immer noch online zu sehen, Foto: Kulturagenten Hamburg

DULSBERG LATE NIGHT war viel mehr als eine interaktive YouTube-Show, in der ein Schulleiter mit seinen Schüler*innen interagiert. In vielen guten Momenten war die Show nur das Medium: Ein Zeitzeugnis einer Schule im Ausnahmezustand und gleichzeitig ein Schaufenster in Hunderte Kinder- und Wohnzimmer von Familien auf dem Dulsberg, denn zentraler Bestandteil der Show waren die Videoeinsendungen der Zuschauer. Hier boten sich Einblicke in Wünsche, Gedanken und Träume von Kindern und Jugendlichen in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit und Vielfalt – und dies stets professionell gerahmt und eingebettet in ein Klima der Wertschätzung und des ­positiven Miteinanders. DULSBERG LATE NIGHT zu sehen, spendete Mut und spendete Trost, auch vielen Menschen in ganz Deutschland, die weder die Schule noch den Stadtteil vorher kannten.

Die Stadtteilschule als Kultur-Institution vor Ort

Aus der Steppenwolf-Online-Inszenierung, Foto: Kulturagenten Hamburg

Neben Studiogästen, interaktiven Wettbewerben und Hunderten von Schüler-Beiträgen beinhaltete die Show aber noch ­weitere – manchmal großartige – künstlerische Aktionen: Weil das TONALI-Konzert an der Schule ausfallen musste, spielt beispielsweise die Geigerin Ronja Putz nachts in der ­dunklen, menschenleeren Schule fünf kurze Minikonzerte – ­alle wundervoll ausgeleuchtet und zu zauberhaften Klassik­musikvideos montiert. Die Theaterregisseurin Kerstin Steeb verfilmte mit einer Handvoll Freiwilliger und dem Filmemacher Jacob Hohf „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse in einem Probenprozess, der ausschließlich über Zoom und WhatsApp stattfinden musste, und schuf damit eines der ersten Corona-Online-Theaterprojekte überhaupt. Und in einem spektakulären Osterhasenkostüm aus 500 Luftballons der Ballon­künstlerin Sina Greinert brachte Schulleiter Björn Lengwenus tausend feinste Schokoladenhasen zu den Familien im Stadtteil an die Haustür – gespendet von einem Hamburger Luxus­kaufhaus, dessen Feinkostabteilung Corona-bedingt genauso geschlossen war wie die Spielplätze auf dem Dulsberg.

Ein Ausnahme-Projekt auf gewachsenen Strukturen

Ein Projekt wie DULSBERG LATE NIGHT wäre natürlich nicht möglich ohne Björn Lengwenus – diesen einmaligen Schulleiter, der sich auch gerne mal als Zahnfee, Tomate oder Gangsterboss verkleidet und sich dabei immer mit Haut und Haaren für seine Schüler*innen und seinen Standort einsetzt. Die Show wäre aber auch nicht denkbar ohne die ganze fabelhafte Belegschaft des Alten Teichwegs und das große Team von Lehrer*innen, Abteilungsleitungen, Sozial- und Sonderpädagog*innen und sonstigen Mitarbeiter*innen am Alten Teichweg: Jede Sekunde spürt man, dass hier einfach Menschen mit sehr viel Herzblut anpacken.

Zuletzt wäre DULSBERG LATE NIGHT aber auch nicht möglich gewesen ohne das Hamburger Kulturagenten-­Programm: Seit mittlerweile 10 Jahren arbeitet der Autor als Projektemacher und Kulturvermittler eng mit der Schule zusammen und bringt dabei regelmäßig so wunderbare Künstler wie die hier maßgeblich mitverantwortlichen Filmemacher Martin D`Costa oder Ole Schwarz in kulturelle Bildungsprojekte vor Ort. Diese Zusammenarbeit ist mittlerweile so selbstverständlich und vertrauensvoll, so eingespielt und etabliert, dass die Frage, wo hier Schule aufhört oder professionelle Kunstproduktion anfängt, überhaupt nicht mehr sinnvoll zu stellen ist.

In Hamburg sind im letzten Jahrzehnt an vielen Orten und an zahlreichen Schulen verlässliche und stabile Strukturen ­kultureller Bildung entstanden – und DULSBERG LATE NIGHT an der Stadtteilschule Alter Teichweg ist nur ein ­besonders sichtbares Zeichen dafür.

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Kulturagenten für kreative Schulen Hamburg
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