Laudatio für Female* Voices

„Frauenrecht ist nicht nur ein abstrakter Begriff; es ist vor allem eine persönliche Sache. Es geht dabei nicht nur um ‚uns‘; sondern ebenso um mich und um dich.“ Die afro-amerikanische Schriftstellerin Toni Morrison erinnert in diesem Zitat eindrücklich daran, dass es beim Kampf um Gleichberechtigung nicht um eine Weltanschauung oder Ideologie geht, sondern um die Realität ganz konkreter Biografien, um Leben, die unter gleichberechtigten Bedingungen anders gelebt, ja überhaupt erst gelebt werden könnten.

Autorin: Jennifer Tharr

Jennifer Tharr

Ganz und gar nicht abstrakt, sondern im Gegenteil sehr konkret und körperlich spürbar lässt „Female* Voices“ den Feminismus werden. Protest ist hier Musik, Tanz und Gesang. Protest bildet hier keine Front, sondern lädt als Performance ein zum Zuhören oder auch Mitmachen; er grenzt nicht ab, sondern baut musikalisch-rhythmische Brücken. Die unterschiedlichen Stimmen der „Female* Voices“ werden einzeln hörbar, thematisieren Angst vor Abschiebung, die Überforderung durch Carearbeit, den Gender Pay-Gap, und vereinen sich dann wieder im Gesang. Sie singen und sprechen für sich selbst, erinnern aber auch daran, dass der Tanz auf offener Straße für andere Frauen – so im Iran – eine verbotene, freiheits- wenn nicht sogar lebensgefährliche Handlung darstellt. Die selbstbewussten Performances der Female*Voices drücken Trauer und Wut aus und feiern im selben Moment Freiheit und Lebensfreude.

Das Repertoire dieses FLINTA Chors ist dabei so divers und international wie der Chor selbst, vielstimmig und mehrsprachig. Diversität wird hier nicht nur gelebt, sondern zelebriert. Diese weiblichen Stimmen aus Wilhelmsburg werden aber überhaupt erst laut, weil sie sich sicher fühlen. Die regelmäßigen Proben sind gleichzeitig safe spaces, sichere Orte gelebter Solidarität und wenngleich der unsichtbare Teil des Projekts, sicher der entscheidende, für das, was dann im Stadtteil bzw. mittlerweile in der ganzen Stadt sichtbar, hörbar, tanzbar und teilbar wird.
Dies alles ist nicht zuletzt eine geniale Vernetzungleistung der Initiatorin und Projektleiterin Filiz Gülsular.

So ist „Female Voices“ ein Projekt des Bürgerhaus Wilhelmsburg, wird aber auch unterstützt vom feministischen Kulturzentrum RIA, dem Romani Kafava, dem STOP Projekt, den Inselmüttern sowie der Dance Out Loud Tanzgruppe.
„Wir sind hier, wir sind viele, wir sind stark, wir sind laut“ – und wir – die Jurymitglieder sind sehr beeindruckt davon und gratulieren sehr herzlich zum Hamburger Stadtteilkulturpreis.